Hifiman HE-4 – Test

Seit dem ich das erste Mal von den Elektrostaten der Firma „Stax“ gelesen hatte, wollte ich unbedingt einen davon probehören. Mir war allerdings stets der Aufwand zu groß, irgendwo in Deutschland hinzufahren um einen Stax persönlich anhören zu können geschweige denn, dass ich überhaupt das Geld für einen Kauf gehabt hätte. Erfreulicher Weise stieß ich vor kurzem auf die Firma „Hifiman„. Diese fertigt zwar keine Elektrostaten an, dafür aber erschwingliche Magnetostaten.

Vor dem Kauf stellte ich mir jedoch schon die Frage: „Was ist denn ein magnetostatischer Kopfhörer?“.

Anders als bei klassisch-dynamischen Kopfhörern, wird hier eine hauchdünne und mit Leiterbahnen durchzogene Membran verwendet. Diese ist zwischen starken Neodymium-Magneten gespannt. Wenn nun (Wechsel-)Strom durch die Leiter fließt, beginnt die Folie, sich zwischen den Magneten hin und her zu bewegen.

Klang:

Bevor ich meine Impressionen schildere möchte ich darauf hinweisen, dass ich die vom Hersteller empfohlenen mind. 150h Einspielzeit erst zur Hälfte erreicht habe.

Bis zum „HE-4“ habe ich ein „Burn-In“ bei Kopfhörern für Voodoo gehalten. Ich hatte beim „AKG K-701“ durch die Einspielempfehlungen in Foren lange gehofft, dass sich der Bassbereich noch etwas verstärken tut. Dem war nicht so. Also machte ich mir beim Hifiman keine allzu großen Illusionen. Die ersten 5h tat sich nicht merklich viel. Die Höhen waren prägnant dominant und Sibilanten nervten schon bei mittlerer Lautstärke. Aber am enttäuschendsten war der absolut nicht vorhandene Tiefbass! Das kanns nicht sein, dachte ich mir. Klar, der „HE-4“ spielt echt luftig und extrem detailiert – ein rundes Klangbild war es aber definitiv nicht. Also blieb mir vorerst nichts anderes übrig, als geduldig zu sein und den Kopfhörer spielen lassen. Vielleicht tut sich was. Ich hab‘ den Heady dann über Nacht ordentlich beschäftigt. In „Logic Pro 8“ fix einen Testoszillator eingefügt und in fünf Sekunden langen Phasen das Frequenzspektrum von 20Hz-100Hz und sattem Pegel wiederholt abfahren lassen.

Was soll ich sagen, am nächsten Morgen waren endlich die Tiefen vorhanden, die ich den Tag zuvor vergeblich gesucht hatte. Der „HE-4“ ist über Nacht nicht zum Bassmonster mutiert, aber die Bassdrum hatte nun das natürliche Volumen und den Tiefgang, der am ersten Tag nicht zu hören war.

Ob das nun durch den Oszillator schneller ging als durch einspielen mit Liedern kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall hat sich da etwas getan.

Nun zu meinen persönlichen Klangeindrücken.

Der Kopfhörer besitzt eine offene Bauweise und ist so offen, wie ein Kopfhörer nur offen sein kann. Der „AKG K-1000“ sei hier mal nicht berücksichtigt. Jedenfalls höre ich nur dezent abgedämpfte Außengeräusche mit dem Hifiman auf dem Kopf. Dies erzeugt eine hervorragend luftige Wiedergabe.

Das wiedergegebene Frequenzspektrum ist recht linear, zieht aber spürbar in den Höhen etwas an. Ich empfand es anfangs als etwas gravierender, kann mich allerdings auch mittlerweile daran gewöhnt haben. Die Höhen sind insgesamt sehr klar, brilliant und detailiert. Die Wiedergabe von Transienten wird beeindruckend deutlich präsentiert. Die mittleren Frequenzen sind ebenfalls schön transparent dargestellt, jedoch wirken Stimmen manchmal pegelmäßig eine Nuance vernachlässigt zu sein. Die Bässe sind sehr knackig und reichen so tief hinab, dass meine Ohren nur noch die vibrierenden Ohrpolster registrierten, ich aber schon nichts mehr hören kann.

Wenn sich die hohen Frequenzen noch einen Tick mäßigen mit der Zeit des Einspielens, wäre ich mehr als zufrieden.

Die Darstellung der Instrumente oder der Stimmen ist für mich persönlich noch nie so präzise zu erhören gewesen, wie mit dem „HE-4“. Als ob man seinen Ohren eine Brille aufsetzt. Das nimmt schon plastische Züge an und erzeugt bei mir immer wieder dieses WOW-Gefühl mit dazugehörigem Gesichtsausdruck. Ganz großes Kino! Vor allem bei Symphonien ist es mir noch nie so klar vor Ohren gekommen, wo die einzelnen Instrumente aufspielen. Auch der „K701“ spielt präzise auf, allerdings wirkt seine Bühnendarstellung im Vergleich zum „Hifiman“ unnatürlich groß und somit ist es für mich schwerer die Signale zu orten.

Alles in allem klingt der „Hifiman HE-4“ sehr knackig, präzise, detailiert, luftig und wunderbar räumlich abbildend. Das habe ich selbst mit dem klasse klingenden „AKG K-701“ nicht so intensiv erlebt. Ich möchte jedoch an dieser Stelle nicht weiter auf die Unterschiede beider Hörer eingehen.

Komfort:

Die Velourspolster des „HE-4“ sind absolut bequem, genau wie der Kopfbügel. Da gibt es für mich nichts zu meckern. Anfangs war der Anpressdruck auf die Ohren recht straff. Da der Kopfbügel aber einen Metallkern hat, kann mann ihn biegen und somit den Druck ganz einfach verringern. Das wird auch so vom Hersteller empfohlen. Er besitzt ein moderates Gewicht, wodurch er mich auch bei längerem Tragen nicht belästigt. Hier gibt es für mich nichts zu bemängeln.

Lieferumfang, Technische Daten, Fazit:

Wer sich für den „Hifiman HE-4“ interessiert und überlegt, ob er sich diesen anschaffen will, der sei im Vorfeld schon mal darauf hingewiesen, dass man für ausreichend Leistung sorgen muss (ab 2W bei 38Ω). Das geht i.d.R. mit geeigneten Kopfhörerverstärken wie dem „Hifiman EF5“ am besten. Auf den „EF5“ muß ich aber auch erst noch sparen, um das volle Potenzial des „HE-4“ abfeuern zu können.

Die Verarbeitungsqualität scheint insgesamt auch hochwertig zu sein. Ein paar dezente Kleberspuren sind allerdings bei genauem Betrachten erkennbar. Ein Minus muß ich hinsichtlich des Austauschen der Ohrpolster geben. Man bekommt diese zwar recht einfach abgezogen, aber wieder aufziehen ist echt eine unnötige Fummelei. Das geht bei anderen Kopfhörern um Welten besser!

Im Lieferumfang befinden sich 2 Kabel mit den an den Heady anschraubbaren Mini-Coax-Steckern. Eines besitzt am anderen Ende einen 6,3mm Klinkenstecker und das andere Kabel einen 3,5mm Mini-Klinkenstecker. Der 3,5mm Mini-Klinkenstecker ist jedoch auf symmetrische Ausgänge ausgelegt und funktioniert somit nicht an z.Bsp. portablen Geräten, laut Herstellerhinweis.

Ebenfalls sind noch zwei Mini-Coax Anschlüsse enthalten, um sich selbst ein Kabel anfertigen zu lassen.

Auch dabei ist ein! Ersatzpolster. Warum es für ein zweites Polster nicht reichte bleibt mir verborgen. Dafür bekommt man eine schöne Transportkiste mit dem „Hifiman“-Logo bedruckt. Das macht was her und gefällt mir persönlich.

Technische Daten HiFiMAN HE-4:

Frequenzgang: 10 Hz bis 60 KHz

Impedanz: 38 Ohm

Wirkungsgrad: 86 dB bei 1 mW

Gewicht ohne Anschlusskabel: ca. 350 g

 

Der „Hifiman HE-4“ ist für mich akustisches Neuland und hat mich mittlerweile voll in seinen Bann gezogen. Das wird in Zukunft für andere Kopfhörer sehr schwer werden, mich auch nur annähernd so zu begeistern. Er ist keine treibende Bassmaschine, dem sollte man sich bewußt werden. Allerdings gefällt mir elektronische Musik recht gut mit diesem Hörer, wie das andere empfinden, mag ich nicht zu beurteilen. Seine Stärke ist ganz klar Präzision und Dynamik, sowie ein organisches Klangbild und das spielt er in klassischen Stücken am vollsten auf.

 

Klang:                     10/10

Komfort:                 9/10

Preis/Leistung:     10/10

attix Verfasst von:

2 Kommentare

  1. 17. Oktober 2011
    Antworten

    Klasse! Der Vergleich mit der Brille ist interessant und sehr anschaulich, sozusagen. Meine audiophoben Gehörgänge hoffen auf Nachsicht, sollten sie die angesprochenen Spektren nicht in gleicher Fülle aufnehmen können.

    • attix
      17. Oktober 2011
      Antworten

      Selbstverständlich. 😉

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