Es ist Mitte der 90er. Ich liege postoperativ im Krankenhausbett und begrüße meine Eltern, die eben zu Besuch gekommen sind. Meine Mutter überreicht mir etwas Lektüre und Süßes. Mein Vater nickt mir verständnisvoll zu und legt einen Walkman plus Musik auf mein kleines Krankenhaustischlein. Als ich dann später, nach dem Besuch, die Kopfhörer aufsetze und den Walkman anschalte, mache ich zum ersten Mal die Erfahrung, dass Musik einen Rausch erzeugen kann.
Wir spulen noch ein paar Jahre weiter zurück. Es ist kurz nach der Wende und meine Eltern haben sich so einen neumodischen Stereokassettenrekorder gekauft. Ich, so ungefähr 10, mache mich neugierig daran, das interessante Gerät zu erkunden. Es dauert nicht lange und ich entdecke die REC-Funktion und das eingebaute Mikrofon. Was daraus folgt sind kindlichwitzige Geschichten und erste Ansätze von Overdubbing.
Wir befinden uns in der Zeitreise nun um die Jahrtausendwende. Die wöchentliche HR-XXL Clubnight startet gerade. André Galluzzi ist heute zu Gast. Ich warte auf die ersten Töne seines DJ-Sets und drücke an meiner Hifi-Anlage auf REC. Sie wird über viele Jahre einer meiner meistgehörten Clubnights sein.
Was diese drei kleinen Anekdoten verbindet (es gäbe noch unzählige mehr) sind nicht nur meine persönlichen Erinnerungen, es ist im Besonderen die Musikkassette. Ohne sie hätte ich diese Erinnerungen nicht. Nachdem sie mittlerweile fast komplett aus dem Markt verschwunden war, kommt sie ganz vorsichtig wieder zurück. So entdeckt auf BLEEP und Bandcamp. Hier mal ein großes Lob und a big shout out an Osiris Music uk, das mittlerweile zu einem meiner Lieblingslabels avanciert ist. Gerade experimentelle Musik wird in absoluten Kleinstauflagen von wenigen Stück auf Tape konserviert. Das empfinde ich, als spannende Abwechslung zu Vinyl, sehr reizvoll. Das kleine Revival kann man sicherlich als eine Art der Ergänzung sehen. Eine neue, alte, physische Konserve in einer ansonsten körperlosen Zeit für Musik – was das Medium betrifft.
Was die Kassette damals so beliebt machte, war ihre kinderleichte Benutzung und ihre niedliche Größe. Die passte locker in jede Hosentasche. Dem gegenüber stand eine eher mittelmäßige Klangqualität, langes Spulen und die Gefahr von Bandsalat. Bei den Sachen die ich auf Musikkassette kaufe spielt die Klangqualität nicht die größte Rolle und trotz der limitierten 50er Auflagen sind die Preise sehr niedrig. Da kann ich gar nicht widerstehen. Voraussetzung ist allerdings ein Abspielgerät für Kassetten. Früher hatte man ja überall die Möglichkeit dazu, heute kaum noch. Ich hatte mir vor gut zwei Jahren ein Pioneer CT-737 Tape Deck zugelegt. Das erfüllt die Aufgabe in vollster Zufriedenheit.
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