Kopfhörer-Session in B

Vorgeschichte

 

Alles begann vor ca. einem Monat. Ich fing an, mich richtig darüber zu ärgern, dass ich den HiFiMAN HE-4 vor einem halben Jahr verkauft hatte. Das kam dadurch,dass meine neu entfachte Neugier auf klassische Musik über meinen AKG K 701 nicht mehr befriedigt wurde. Der HiFiMAN klang damals um Welten plastischer und überzeugender. Mir fehlte beim Hören das Körperhafte in der Musik. Da ich nun mittlerweile mit dem K 701 so gar nichts mehr anfangen vermochte, hauptsächlich wegen der übertriebenen Bühnendarstellung, überlegte ich mir den HE-4 wieder anzuschaffen und den AKG zu verkaufen. Leichter gesagt als getan. Der damals kleinste HiFiMAN wird aktuell nicht mehr hergestellt und Gebrauchtangebote sind spärlich gesät.

Ich machte mich erstmal schlau, was es momentan an Magnetostaten auf dem Markt gibt. Schnell stieß ich auf den HiFiMAN HE-400 – scheint wohl der Nachfolger vom 4er zu sein. Beim Frequenzgraphenvergleich auf Headphone.com missfiel mir allerdings das deutliche Mittenloch. Das sah beim nächstgrößeren Model dem HE-500 schon um einiges ansprechender aus. Der Neupreis schreckte mich mit 699,- aber (noch) ab. Beim Stöbern der Biete/Suche – Sektion im HiFi-Forum stieß ich dann auf ein gebrauchtes STAX SRS-2050 II Set. Kein Magnetostat aber dafür ein waschechter Elektrostat mit dediziertem Verstärker. Das Set war vor ein paar Jahren das Einsteiger-Set in die Elektrostatenwelt. Der Vorgänger zum aktuellen SRS-2170. Ich hab‘ den Verkäufer angeschrieben und drei Tage später hörte ich das erste Mal einen(meinen) richtigen Elektrostaten bei mir zu Hause. (Das kurz zuvor defekt erworbene Stax-Set bestehend aus SR-5 Gold und SRD-6 Versorgungsteil lasse ich an dieser Stelle mal unbeleuchtet)

Was macht der Stax den nun so anders?

Er liefert eine absolut beeindruckende, sowie natürliche Wiedergabe, luftig und detailiert, schnelle Impulstreue und mit einer von mir noch nie gehörten Räumlichkeit. Das nenn‘ ich mal einen Kopfhörer für Klassik. Bei einer guten Klassik-Aufnahme denkt man, man ist live dabei. Das klingt vielleicht abgedroschen, hier stimmt’s aber mit der Livehaftigkeit! Der Klang vermittelt für mich eher Open-Air-Feeling als Konzertsaal. Ich habe mittlerweile schon etwas Erfahrung mit Kopfhörern sammeln können, aber die ersten Hörsessions mit dem 2050 II waren/sind unglaublich faszinierend. Das war das kleinste STAX-Set vor wenigen Jahren wohlgemerkt. Der K 701, mal von der Preisdiffernenz abgesehen (800,- / 200,- NP), konnte da nicht mal im Ansatz mithalten.

Für Klassik und Filmscores war ich ab nun bestens gerüstet. Eine Zäsur verursachte der Elektrostat zudem. Ich konnte von dem Erwerb an, keine meiner elektrodynamischen Kopfhörer noch genussvoll anhören. Ich mochte übertriebene Bässe und Höhen einfach nicht mehr ertragen, mal abgesehen von der trägen Impulswiedergabe und fehlenden Luftigkeit. Der AKG K 701, der Beyerdynamic DT 770 PRO (250 Ohm) und der Ultrasone DJ1 fanden dann sogleich schnell den Weg auf ebay, die Kleinanzeigen oder in den Bekanntenkreis.

So toll der Stax Musik mit klassischen Instrumenten darbot, so fehlte mir doch ein wenig(!) der Druck für elektronische Musikstile ala Deephouse, Dubstep und Techno. Zudem rückten die hohen Frequenzen zu stark in den Fokus. Ab diesem Zeitpunkt, gab es für mich die absolut unumgängliche und metaphysische Gewissheit, es gibt nicht DEN EINEN Allroundhörer. Es sei denn, man geht qualitative Kompromisse ein. Das wollte ich aber nicht.

Eine direkte Möglichkeit zum Hören und Vergleichen von edlen Kopfhörern sollte bei der Suche Hilfe leisten. Da in meiner thüringer Region leider nur eine unbefriedigende Dichte an HiFi-Läden mit Auswahl an Magnetostaten existiert, beschloss ich mit Doc Sommer, nach Berlin zu reisen.

Warum ausgerechnet B?

Das dort ansässige HiFi-Geschäft „HiFi im Hinterhof“ war das erste, das uns die komplette Palette an hochwertigen Magneto- und Elektrostaten per Webpräsenz versprach.

Ich begann mich zudem gleichzeitig für den Audeze LCD-2 Rev.2 zu interessieren. Hierbei handelt es sich um einen beeindruckenden magnetostatischen Kopfhörer. So recherchierte und las ich viele Stunden im HiFi-Forum und Restnetz – der Bassbereich wurde hier mehrfach gelobt (nicht weil dieser überbetont ist, sondern anders) und anhand der Reviews von Besitzern dieser schönen Kopfhörer, kam ich zu dem Schluss, der wird’s. Nachdem mich auch noch im Schlaf der Audeze verfolgte, war klar, der MUSS es werden! Bei einem NP von 995,- wurde dann allerdings auch schnell offenkundig, den gibt’s wenn überhaupt, erstmal nur gebraucht für mich. In den ebay-Kleinanzeigen entdeckte ich einen gut erhaltenen LCD-2 zum Hammerpreis – 600,- inkl. Versand klangen unglaublich verlockend. Ich war bereit sofort zuzuschlagen. Ich kontaktierte also den sehr netten Verkäufer und wollte kurzfristig (also bereits für den nächsten Tag) einen Anhör- und Abholtermin vereinbaren. Da es aus persönlichen Gründen des Verkäufers so schnell aber nicht möglich war, versprach er mir, den LCD-2 bis nach dem Besuch in Berlin zu reservieren…

 

HiFi-im-Hinterhof

 

Up 2 B!

 

Samstagfrüh, 6.45 Uhr stand ich bei Doc vor der Haustür und los ging’s. Die Hinfahrt verlief zügig und gegen 10.45 Uhr parkten wir in Berlin-Nikolassee. Neben einer Tankstelle bot sich, in Nähe unseres Parkplatzes, auch ein Burger King an – endlich was zu essen. Nach dem schmackhaften Whopper-Menu, nahmen wir die Dienste der BVG in Anspruch, um zum gewünschten Ziel in Berlin-Kreuzberg zu gelangen.

 

S-Bahn

 

Ein paar Minuten per pedes und wir traten in den Eingangsbereich des HiFi-im-Hinterhof. Dem freundlichen Verkäufer hinter dem Tresen erklärte ich unsere Absichten und er brachte uns daraufhin in das im Hinterhof (ja, den gibt’s dort tatsächlich) gelegene Kopfhörerstudio. Das Studio machte beim Betreten schon mächtig was her. In Wandnähe und in der Mitte des Raumes wurden mehrere Abhörplätze installiert. Dort hat man jeweils die Option, Kopfhörer und/oder Kopfhörerverstärker zu testen und zu vergleichen. Eine riesige Auswahl an Musik ist ebenfalls vorhanden, wenn man mal kein eigenes Quellmaterial dabei hat.

Auf bequemen Sitzmöglichkeiten platznehmend, stellte uns der Herr Dimitrov gleich den Audeze LCD-2 und LCD-3 vor. Ich verglich daraufhin zuerst die unterschiedlichen Ausstattungstypen des LCD-2 miteinander. Nicht nur optisch, sondern auch klanglich gefiel mir die Rosewood/Alcantara-Variante besser als die Bamboo/Leather-Kombination. Die Bamboo/Leather-Kombination klang trotz offener Bauweise fast wie ein geschlossener Kopfhörer. Das wurde besonders deutlich, als ich ihn anschließend mit dem HiFiMAN HE-6 verglich. Da zum Audeze in Foren gern behauptet wird, dass er, aufgrund der Reduktion der hohen Frequenzbereiche, recht bedeckt klingen würde, war ich mehr als erstaunt, da sich das in keinster Weise zu bestätigen schien. Nicht höhenlastig ja, bedeckt nein.

Der LCD-2 erzeugt auch eine unglaublich tiefe Bühne. Man empfindet es annähernd so, als dass man sich in einem Konzertsaal während der Aufführung, in einer der hinteren Reihen befindet. Das wird schon sehr plastisch dargestellt.

Audeze LCD-2 (Rosewood/Alcantara)

Audeze LCD-2 Rev.2 am Auralic Taurus

Audeze LCD-2 Rev.2 Rosewood

Audeze LCD-3

Audeze LCD-3

 

 

Doc’s Interesse galt im Besonderen den Elektrostaten der Firma STAX. Man konnte im Studio wunderbar die Unterschiede der einzelnen STAX-Sets erkunden. Am Stimmigsten, auch was die Preis/Leistung betrifft, war für ihn das SRS-3170. Er war mit diesem Set fast ’ne Stunde kaum ansprechbar, wie sich auf dem folgenden Foto erahnen lässt.

STAX SRS-3170 (KH: Lambda Classic SR-307 + KHV: SRM-323S)

STAX SRS-3170

STAX SRS-3170

Da ich schon einen STAX besitze und eher einen Kopfhörer suchte, der sich vom SRS-2050 II abgrenzt, hörte ich nur kurz in das tolle SRS-3170 um mich den Audez’e und HiFiMAN Kopfhörern wieder widmen zu können. Rückblickend wünsche ich mir doch,  mal das SRS-2170 mit dem SRS-3170 genauer unter die Lupe genommen zu haben. Da fehlen mir leider nun die spannenden Informationen aus einem Vergleichshören.

Wir ließen es uns natürlich nicht nehmen, auch den STAX SR-009 (NP: 3889,-!) zu testen

STAX SR-009

 (Kleine Anekdote zu diesem Bild: Als Doc vertieft in die STAX-Welt eintauchte und ich gerade zu den Örtlichkeiten war, meinte der Verkäufer sich um das Sound-System im Hintergrund zu kümmern. Jemand hatte sich wohl einen Scherz erlaubt und bei einem vorhergehenden Hörtest, die Lautstärker auf Maximum gestellt und das System ausgeschalten. Als der Verkäufer ohne etwas davon zu ahnen, dass Sound-System einschaltete, alterte der Doc in diesem Moment, mit Herzaussetzer, um zwanzig Jahre. Erkenntnis daraus war, so ein offener STAX-Kopfhörer, der dichtet die Außenwelt nicht ab.) 😉

Der Verkäufer empfahl uns im weiteren Verlauf noch den Fostex TH-900. Dieser ist ein ebenfalls recht hochpreisiger, geschlossener, elektrodynamischer Kopfhörer, der fast an das detailierte Klangbild und die Bühne eines STAX heranreichen solle + das Bassfundament eines Denon AH-D7000. Der TH-900 machte einen erstklassigen Eindruck was die Verarbeitungsqualität betraf. Leider konnte mich der Kopfhörer klanglich nicht überzeugen. Auch wenn dieser äußerst detailiert aufspielte, an das SRS-3170, welches als Vergleich herhalten musste, kam er aber nicht ganz ran. Viel niederschmetternder empfand ich aber den überzeichneten und zugleich softigen Bass. Bei „Marc Streitenfeld’s – Life“ aus dem Score des „Prometheus“-Films, machte die Überbetonung der Subbass-Drops, das Stück praktisch unhörbar. Der später folgende Fostex TH-600 machte es ebenfalls nicht anders. Nix für mich. Die Zeit der Passion, überbetonte Bassfrequenzen zu  huldigen, liegt hinter mir. Gut zu wissen, das der AH-D7000 also auch nicht meiner Präferenz entsprochen hätte. Diesen gibt es mittlerweile aber nur noch gebraucht.

Nachdem ich den Verkäufer kurz vor unserem Aufbruch nun bereits das dritte Mal gebeten hatte, mir doch auch mal den HiFiMAN HE-500 zur Verfügung zu stellen, kam er endlich dieser Bitte nach.

Da war es dann, das Gefühl, den richtigen Kopfhörer gefunden zu haben. Ein unfassbar straffer und gut ausgewogener Bassbereich, keine Anzeichen von Sibilanten-Zischen und eine umwerfende Direktheit in den Mitten. Während der im direkten Vergleich gehörte LCD-2, eher den Konzertsaal anbot, spielte der HE-500 mehr in einem mittelgroßen Raum. Diese Attribute platzierten den HiFiMAN HE-500 als Gewinner dieser Hörsession – für meine elektronischen Musik-Bedürfnisse zumindest. Er erinnert mich zudem ein Stück weit an den HE-4 und präsentiert auch das Körperhafte, bietet die schnelle Impulswiedergabe wie ich sie von Magnetostaten erwarte. Selbst Songs, die ich aufgrund eines sehr spitzen Masterings und des daraus resultierenden Zischen in den hohen Frequenzen, fast nie hörte, sind nun einigermaßen genießbar.

 Doc: HiFiMAN HE-6 / Ich: HiFiMAN HE-500

HiFiMAN HE-6, HiFiMAN HE-500

 

Ich konnte nach der Hörsession dann auch nicht mehr widerstehen. Ich ließ mir den HE-500 gleich einpacken und nahm ihn direkt mit. Mir ist bewußt, dass ich den Kopfhörer locker für mind. 100,- weniger online hätte kaufen, da ich mich aber dankbar der gebotenen Vergleichsmöglichkeit und dem netten Service zeigen wollte, hab‘ ich im Geschäft gekauft. Den reservierten Audeze LCD-2 hab‘ ich nun nicht mehr ersehnt und dem privaten Verkäufer Bescheid gegeben.

Kleiner unschöner Wermutstropfen: der gekaufte Kopfhörer besaß eine Kanalungleichheit der Lautstärker zwischen Links und Rechts, wie sich zu Hause herausstellte. Ich schickte den HE-500 zur Reparatur an den HiFiMAN-Vertrieb, Sieveking Sound GmbH & Co KG, nach Bremen und bekam ihn nach sage und schreibe zwei Tagen nun voll intakt zurück. Großes Lob für den ultraschnellen Service!

HiFiMAN HE-500

Nun buhlen der STAX und der HiFiMAN um meine Aufmerksamkeit. Dank des NTS (New-Toy-Syndrom) bekommt der HE-500 aktuell mehr Zuwendung. Man muss sich ja schließlich etwas einhören. Die nächste Baustelle wird dann ein geeigneter Kopfhörerverstärker für den HiFiMAN werden.

 

Links:

HiFi-im-Hinterhof

HiFiMAN-Homepage

STAX-Homepage

Audeze-Homepage

Fostex-Homepage

Sieveking Sound-Homepage

Headphone.com

HiFi-Forum.de

attix Verfasst von:

2 Kommentare

  1. 29. Mai 2014
    Antworten

    Schöner und anschaulicher Bericht, angereichert mit kleinen Anekdoten – vielen Dank, das war sehr informativ!

  2. Martin
    6. Dezember 2015
    Antworten

    Klasse zu lesen ! Ähnlich erging es mir auch mit meinen ersten Stax Erfahrungen… ein AKG K701 durfte mich auch recht schnell wieder verlassen 🙂

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