Es schneit! Tatsächlich fällt seit Stunden nun die weiße Pracht vom Himmel. Für den ein oder anderen Leser mag das nichts Besonderes sein. Unsereins aber hat hier zuletzt vor 10 Jahren Schnee auf dem eigenen Grundstück gesehen. Ich meine wirklich das, was man eine vernünftige Schneedecke nennen kann. Wenn auch keine Kanadischen Ausmaße, so reicht die Niederschlagsmenge bequem zum Schlitten fahren oder Schneemann bauen. Meine Töchter erfreuen sich jedenfalls sichtlich daran.
Gedanken an die eigene Kindheit und Jugend kommen dabei auf. Wie ich z.Bsp. als Jüngling versuchte, ein Mädel zu beeindrucken, indem ich mutig stehend auf dem Schlitten, eine Anhöhe herunterfuhr. Da es bei dem waghalsigen Manöver jedoch keine Möglichkeit gab irgendwie abzubremsen, knallte klein „Evel Knievel“ mit maximalem Momentum in den unten angrenzenden Zaun. Die Konsequenzen waren ein schmerzhaft geprellter Hintern und das Mitleid des Mädels. Was es irgendwie auch ausglich. Die Jungs von „Jackass“ hätten mir sicher applaudiert.
Jedenfalls scheine ich nicht der Einzige in diesen Tagen zu sein, der in Nostalgie badet. Richie Hawtin geht es gerade recht ähnlich. Das (und wahrscheinlich auch ein finanzielles Interesse) gebar ihm die Idee einer Neuauflage seiner CONCEPT 1 – Reihe aus dem Jahre 1996. Das 25ste Jubiläum also. Der kreative Schaffungsprozess Hawtins bestand dazumal darin, jeden Monat einen Teil der Reihe als 12″ auf den Markt zu bringen. In der Summe ergaben sich also 12 Stück als Anlehnung an die Monatsanzahl eines Jahres. Auf jeder Platte gab es wiederum zwei Tracks. Diese wurden mit der damaligen Jahreszahl und den Ziffern von 1-24 benannt. Sie symbolisieren die Stunden eines Tages. Was ja auch gut aufging. Das stellt bildlich ebenso das Cover von CONCEPT 1 dar. Die schwarzen Kreise sind die Monate und die äußeren roten Punkte um diese, die Tagesstunden.
Musikalisch findet sich bei CONCEPT 1 eine sehr minimalistische und experimentelle Art des Technos wieder. Hawtin entfernte sich damals bewusst von seinem typischen, limitierenden TR-808, TR-909, TB-303 Sound und erweiterte seine Möglichkeiten um ein Modularsystem und Sequenzer. Die dabei gewonnen Erkenntnisse legten den Grundstein für seine folgenden Veröffentlichungen als Plastikman, sowie das bald folgende Label „MINUS“. Das ebendieses Label ganz groß den Ton für einige Jahre in der Elektronischen Musik angab, gilt heute als allgemeiner Konsens. Und ja, wenn man sich die einzelnen, nie langweilig werdenden, Tracks der CONCEPT 1 anhört erkennt man schon viel von dem, was später legendäre Plastikman Titeln wie Pannikattack oder das Album Consumed ausmachte. Es spricht für sich, wenn es ein Künstler mit seiner Vorstellung von Musik schafft, Tracks quasi am Fließband zu produzieren, dabei einen roten Faden zu formulieren und sich doch nicht zu wiederholen. Die Tracks klingen ab und zu ähnlich und doch stets anders. Egal welche Nummer man aus der Reihe herauspickt, man erkennt den CONCEPT 1 Kern.
Dass, nach Aussage Richie Hawtins, der komplette Abwicklungsprozess vom Tracks produzieren, Layout und Cover entwerfen, Platten pressen und zu versenden dabei von dem Künstler selbst realisiert wurde, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Hierzu muss man immer im Kopf behalten, dass das 1996 passierte. In der heutigen Zeit wäre so ein Vorhaben deutlich einfacher zu realisieren. Damals gab es ja quasi nur die Möglichkeit, Veröffentlichungen auf Vinyl heraus zu bringen. Downloadplattformen wie Beatport existierten nicht.
Die CONCEPT 1 gibt es diesen Januar ausschließlich und zum ersten Mal digital auf Bandcamp. Später dann auch auf anderen Plattformen. Sie soll wohl auch nochmal als Vinyl Version neu erscheinen. Das begrüße ich natürlich sehr. Eine komplette, original CONCEPT 1 von 1996 kostet „near mint“ weit über 300€. Eine noch versiegelte Box auch schon mal >500€. Ich hoffe die Neupressung ordnet sich deutlich darunter ein!
Copyright des Coverbildes Richie Hawtin.
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