Heute beginne ich wieder mit einer Zeitreise. Wir schauen sehr weit zurück in die Vergangenheit. Zum Anfang von allem. Die Entstehung von Zeit und Raum. Wir starten, als das Nichts plötzlich nicht nichts mehr war. Indem ein unendlich kleiner Punkt sich aufmachte unvorstellbar große Ausmaße anzunehmen und eine winzig Störung in der Imperfektion der Supersymmetrie aus Materie und Antimaterie dazu führte, das Elementarteilchen entstanden. Protonen und Elektronen, die die ersten Elemente formten – Wasserstoff und Helium. Sehr viel davon. Diese Gase kumulierten und verdichteten sich an einigen Orten. Immer weiter, bis sie so heiß waren, dass sich die ersten Gebilde, die wir Sterne nennen entstanden. Sternengenerationen später verschmelzen diese Kernfusionsreaktoren auch heute, 13,8 Milliarden Jahre nach dem Urknall, in ihrem Inneren aus zwei Wasserstoffatomen + einem Proton ein Heliumatom. Aus Heliumatomen entstehen Kohlenstoffatome und so weiter. Doch Sterne haben nur eine begrenzte Lebensdauer. Je größer sie sind, umso kürzer fällt diese aus. Irgendwann geht ihnen die Puste aus und sie zerbersten mit der größten, der Menschheit bekannten Explosion – einer Supernova. Dadurch verstreuen sich die erbrüteten Elemente im All und sammeln sich an andere Stelle erneut, um den Zyklus von neuem zu beginnen. Nach jedem Zyklus gibt es aber kleine Veränderungen, die dazu führten, dass sich um diese Sterne Planeten bildeten. Auf einem wohnen bekanntlich wir. Im Inneren unseres Planeten wurde der Kohlenstoff schließlich weiter bearbeitet. Durch großen Druck und enorme Hitze verdichteten sich die Kohlenstoffatome zu etwas, das wir als Diamanten bezeichnen. Von Vulkanen aus dem Inneren nach oben befördert und von Menschen aus dem erkalteten Gestein gesprengt, landete ein winziger Diamantsplitter nun bei mir. Er ist in einen kleinen Metallträger eingelassen und dieser wiederum in einen Tonabnehmer montiert. Einem Goldring 1042.
Ich hoffe, die Einleitung war nicht allzu lang und auch, dass ich nichts durcheinander gebracht habe. Man denkt aber mMn viel zu selten darüber nach, welchen Ursprung so mancher alltägliche Gegenstand hat. Der Gedanke, dass man mit Sternenstaub seine Schallplatten anhören kann ist doch bezaubernd. (Eigentlich besteht ja alles aus Sternenstaub. Auch du und ich.)
Dieser kleine Diamant am Goldring 1042 bereitet mir gerade viel Freude. Soviel sei schon mal vorab verraten.
Ich komme ja eigentlich aus der Ortofon-„Ecke“. Mit den Nadelsystemen vom Dänischen Hersteller habe ich bis jetzt die meisten Erfahrungen sammeln können. Auch wenn da sicherlich noch viel Luft nach oben ist. Mein aktuelles Hauptsystem jedenfalls ist ein VM Silver. Ein wunderbar feinzeichnendes System, an dem ich viel Freude beim Musikhören erfahre. Jedoch bekam ich nach zwei Jahren der Nutzung Lust auf etwas Abwechslung. Das verhält sich da bei mir wie mit Kopfhörern. Ich besitze mittlerweile so viele tolle Exemplare, dennoch verspüre ich von Zeit zu Zeit das Verlangen auf ein neues Model. Dabei geht es mir nicht um gut oder schlecht, sondern darum, meine Leidenschaft zu erweitern. Die Vorliebe ist dann Tagesform abhängig. Mal einen offen Kopfhörer, mal einen geschlossenen, heute den neutral abgestimmten, an einem anderen Tag den mit der Portion Extraspaß.
Das Variieren kam mir bei meiner schmalen Auswahl an Tonabnehmern zu kurz. Als Kontrast zum nüchtern aufspielendem Silver fehlte ein spritziger Gegenpaart. Also vertieft man sich, wie heutzutage üblich, in erkenntnissuchende Internetrecherche. Es gibt ja doch eine recht große kaufbare Auswahl und man will sich dabei nach Möglichkeit nicht vergreifen. Ich liebäugle bereits geraume Zeit mit einem Ortofon 2M Black. Das u.a. durch einen berühmten Shibata-Nadelschliff etwas voller vom Grundton als das Silver ist. Der Preis war mir aber immer etwas zu üppig. Frisch entdeckte ich nun das Audio Technica VM 95 SH. Ebenfalls mit einer Shibata-Nadel und das mit Kampfpreisansage. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch bereits das Goldring 1042 geordert. Jenes Nadelsystem war ebenfalls schon lange auf meiner Tonabnehmer (TA ) – Wantlist.
Das 1042 von der Firma Goldring ist das Spitzenmodel der 1000er Serie, die in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts auf den Markt kam. Es genießt große Beliebtheit und verspricht eine wunderbare Performance. Dieser kleine Tonabnehmer kommt sicher fixiert in einer robusten hexagonalen Schatulle zum Käufer. In dieser befinden sich noch Schrauben, ein kleiner Maulschlüssel und ein Innensechskantschlüssel (Inbus) zur Montage. Ich hatte mir separat noch eine an Goldfarbe angelehnte SME-Headshell besorgt. Die Einbringung in diese verlief problemlos. Die Justage war ebenfalls zügig erledigt. Ich hatte reichlich Glück, denn beim Montieren traf ich zufällig gleich die richtige Stelle für die zwei Nullpunkte. Ich musste die Schrauben, nach der Kontrolle mittels Schablone, nur noch ordentlich festziehen. Ist mir so auch noch nicht passiert. Man liest zum 1042 oft, dass man sich bei der Justage Zeit nehmen und sehr genau einstellen soll. Das lese ich aber gefühlt zu jedem zweiten Tonabnehmer im Netz. Prinzipiell ist eine exakte Justage des Tonabnehmers Pflicht. Das bedeutet korrekter Azimut (°), korrekter Überhang (°), waagerechte Tonarmhöhe (°), empfohlene Auflagekraft (g), Anti-Skating (g) und Abschlusskapazität (pF). Stimmt einer dieser Werte nicht, ändert sich sofort das Klangbild. Das kann in seltenen Fällen gewünscht sein, wenn man weiß, was man da tut, in der Regel verschlechtert sich jedoch der Klang. Also Obacht!
Sicherlich gibt es da tolerantere TA und weniger tolerante. Denn das hängt wiederum im Wesentlichen vom Nadelschliff ab. Dieser entscheidet maßgeblich, wieviel Oberfläche der Schallplattenrille, wie abgetastet wird. Je aufwändiger der Schliff des Diamanten, umso teurer ist er. Die Nadelspitze ist deshalb auch der Hauptgrund für die verlangten Preise der Nadelsysteme. Die Generatoren der Tonabnehmer spielen da eine eher untergeordnete Rolle. Das erkennt man z. Bsp. daran, dass der Neupreis für das Goldring 1042 bei 349€ liegt und der Preis allein für die Ersatznadel bei 280€. Das verhält sich bei den extremen Preisen im High-End-Bereich wieder anders. Dort spielen mehrere Faktoren entscheidende Rollen. Nadelträger, Korpus, Marketing, usw.
Das hier vorliegende Goldring System besitzt jedenfalls einen aufwändigen „Gyger S“-Schliff am Diamanten. Diese besondere Schliffvariante zeigt sehr ausladende Flanken. Die Intention dahinter war, dem Schneidstichel in der Schallplattenfabrikation so nah wie möglich zu kommen und somit viel Klanginformation aus der Rille zu ziehen.
Wie man unschwer auf den Bildern erkennen kann, sollte bei Diamanten mit Fritz Gyger-Schliff die Justage schon penibel genau ausfallen. Das betrifft ebenso die teuren MicroLine, Shibata, v.d.Hul – Diamantschliffe. Wie bereits erwähnt, handhabe ich das generell so, auch bei den tendenziell eher unkritischen, konisch oder elliptisch gefeilten Abtastnadeln. Man möchte Nadel und Platte doch möglichst lange erhalten und schonen, sowie die bestmögliche Klangqualität erhalten. Die Nadel des Ortofon VM Silver formt btw. einen „Gyger I“-Schliff. Dieser besitzt nicht ganz die große Nadelverrundung des „Gyger S“. (70µm zu 100µm) Was dahingehend interessant ist, da eine moderne Stereorille eine Breite von gerade mal 40-50µm aufweist. (Ich habe allerdings auch schon gelesen, dass das „Gyger S“ gar eine große Verrundung von 120µm besitzen soll. Wer mehr dazu weiß, einfach einen Kommentar dalassen. Für mich ist die Nadelradienthematik noch neu. Ich lerne gern dazu.)
Ist die Justage zur Zufriedenheit erledigt kommt es nun auf die Audiokette an, wie ein neuer Tonabnehmer ertönt. An erster Stelle ist hier logischerweise der Plattenspieler ins Auge zu fassen. Bei diesem hauptsächlich interessant für den TA: der Tonarm. Das 1042 gehört an einen mittelschweren Tonarm. Das sind glücklicherweise die häufigsten Vertreter. An dem mittelschweren Tonarm von meinem Technics SL1210MK7 fühlt sich das System jedenfalls wohl. Beim Goldring TA wird von manchem Nutzer angeführt, dass der Systemkorpus auf der Platte aufliegen kann. Das konnte ich so nicht beobachten. Bei mir ist genug Luft darunter, auch für wellige Schallplatten. Eventuell ist bei diesen Usern der Tonarm zu schwer und die Nadelnachgiebigkeit dafür zu hoch? Stimmt die Tonarmhöhe?
Als Auflagekraft gibt der Hersteller einen Bereich zwischen 1,5g und 2,0g an. Die Firma Goldring empfiehlt die goldene Mitte von 1,75g. Ich habe mit den drei genannten Werten etwas herumexperimentiert. Für mich klingt das Goldring 1042 am Besten mit 1,5g Auflagekraft. Es löst besser auf, ist aber dennoch weniger scharf in den hohen Frequenzen. Aus den 1,5g Auflagekraft resultiert typischerweise eine Anti-Skating Einstellung von 1,5.
Die nächste Größe, auf die es zu achten gilt, ist die Abschlusskapazität oder auch kapazitative Last. Dabei handelt es sich quasi um eine Art elektrischen Widerstand im Audiosystem. Die sensiblen Tonabnehmer reagieren auf einen, die Herstellerempfehlung über- oder unterschreitenden Wert, mit einem zu hellen Klangbild beispielsweise, welches dann auch zum Zischeln der Sibilanten neigen kann. Für die Berechnung fasst man zusammen: 1. die Tonarmverkabelung + 2. Audiokabel zwischen Plattenspieler und Phono-Vorverstärker + 3. Phono-Vorverstärker. Macht bei meinem System: 1. (~20pF) + 2. (~80pF) + 3. (~100pF) = ~200pF. Das ist auch der empfohlene Höchstwert. Den Bereich für die kapazitative Last benennt Goldring zwischen 150pF – 200pF. Das ist schon recht wenig.
Weiter in der Audiokette geht es mit dem Phono-Vorverstärker. Der Goldring 1042 Tonabnehmer ist ein Moving Magnet (MM) induzierendes Abtastsystem. Demzufolge benötigt man einen MM unterstützenden Phono-Vorverstärker. Ich nutze einen GramAmp 2 von Graham Slee Audio.
Alles was in der Audiokette danach kommt, kann keinen direkten Einfluss mehr auf das Nadelsystems nehmen. Natürlich kann ein an den Phono-Vorverstärker angeschlossenen Vollverstärker denn Klang beeinflussen. Genauso und noch mehr, ein anderes Paar Lautsprecher oder Kopfhörer, aber eben nicht mehr unmittelbar rückkoppelnd. Warum erzähle ich das alles so ausführlich? Zum einen, um eine gewisse Referenz und Überblick zu bieten und weiter, um nochmal aufzuzeigen, dass die Klangbeschreibungen, die ich nachfolgend zum 1042 berichten werde, von vielen Faktoren abhängig sind. Die bereits weiter oben erwähnten und solche, von denen ich hier gar nicht erst anfangen mag. Stichworte: Raumakustik, subjektives Hörvermögen, usw.
Die Testbedingungen: Die Hörprobe fand mit gerippten Vinyl-Aufnahmen statt. Ich war natürlich gespannt, wie der neue Tonabnehmer in direkter Gegenüberstellung zum VM Silver abtastet. Um also schnell an bestimmten Passagen wechseln zu können, habe ich direkt von Schallplatte einige Lieder aufgezeichnet. So muss ich nicht jedes Mal fix den TA tauschen und nachjustieren. Abgehört über Beyerdynamic DT 880 Pro Kopfhörer. Angeschlossen an einem RME ADI2 DAC FS.
Bei der Auswahl der Schallfolien musste ich etwas umdenken. Ich gehe davon aus, dass du nicht unbedingt weißt, wer Setaoc Mass, Onmutu Mechanicks, Shifted oder Extrawelt sind. Demzufolge habe ich mal in meiner kleinen Rock und Pop Selektion gestöbert. Die Wahl fiel auf: „Queen – The Greatest Hits“, „Alphaville – Forever Young“ (Remastert) und „Still Corners – Strange Pleasures“.
Was mir gleich unmittelbar auffiel, war das insgesamt kräftige Klangbild des Goldring 1042. Es erwirkt sofort eine zustimmende Mimik im Gesicht. Trotz der vielen Details, die einem ins Ohr fließen, bleibt der Spaß erhalten. Das VM Silver im Vergleich wirkt da deutlich analytischer und auf den mittleren Frequenzbereich konzentriert. Man könnte schon sagen „dünn“. Da liegt der Stimmenbereich meines Erachtens im Hauptfokus. Bass- und Höhenbereich fallen etwas dahinter zurück. Allerdings nur bezogen auf die Amplitude, nicht die Auflösung. Dies war mir nie so deutlich aufgefallen. Erklärt nun allerdings meinen Wunsch nach einem TA mit mehr Fülle. Auch zieht einen der Goldring Tonabnehmer mehr in die Musik. Das liegt nicht nur an dem runderen, spritzigeren Frequenzgang, sondern auch an der etwas weniger weiten Bühnendarstellung. Das 1042 packt das Geschehen schon spürbar näher an den Zuhörer. Die Ortbarkeit von Instrumenten, Klangverläufen von links nach rechts, Hallfahnen, sowie Zweit-, oder Drittstimmen sind mit beiden Tonabnehmern auf einem sehr hohen Niveau. Da nimmt kein TA dem anderen die Butter vom Brot. Gerade Queen experimentierten bekanntlich viel mit Sounds. Diesen Arrangements zu folgen macht schon Laune. Mit dem Goldring wirken diese subjektiv ansprechender. Der Britische TA präsentiert im Vergleich zum Dänischen einen merklich hervorgehobenen Hochtonbereich. Der ist beim Silver nicht so prägnant, scheint aber trotzdem etwas besser aufzulösen. Kann aber auch schlicht an der unterschiedlichen Abstimmung des Tonabnehmers liegen. Jedenfalls kann das Goldring Abtastsystem, bei hohen Lautstärken, Mercurys Stimme im überschneidenden Verbund mit HiHat oder Cymbal etwas spitz erklingen lassen. Der Beyer DT 880 besitzt aber auch allein schon ein recht höhenbetontes Klangbild. Das sollte man da mit einkalkulieren.
Jetzt wo ich das Goldring 1042 und das Ortofon VM Silver so gegenüberstelle, würde ich dem 1042 mehr Allrounderqualität attestieren. Damit sollte sich so ziemlich alles hervorragend abspielen lassen. Rock, Pop, Jazz und für mich sehr relevant, Elektronische Musik. Gerade deshalb werde ich es in Zukunft dem Ortofon TA vorziehen. Der Techno, den ich höre, darf schon saftig knallen. Das VM Silver ist da mehr der sensible Feingeist. Es macht vieles richtig gut, aber traut sich nicht mal schön beherzt den Sound anzupacken. Diese Eigenschaft harmoniert wiederum besser mit den Alphaville und Still Corners Scheiben, wie ich finde. Die softigen Titel darauf gefallen mir so sanft geriert eher. Es ist also wie immer alles Geschmackssache. Im Hörtest fiel mir zudem noch auf, das das Goldring System lauter ist, als das von Ortofon. Das bestätigte der Blick in die technischen Daten – 6,5mV zu 3mV.
Das ist dann auch meine Erkenntnis zum 1042 von Goldring. Ein schönes Allroundersystem, das Musik wunderbar packend präsentiert und dadurch schon mal schnell ein mitwippendes Körperteil hervorruft. Der kleine Diamant wird nach seiner langen Reise hier bei mir mit Sicherheit, mit einigen Kilometern Rillenflanke Bekanntschaft machen. Darauf freue ich mich.
Jepp, der Preis ist für ein MM-TA schon recht hoch, es bietet jedoch auch viel. Das Nadelsystem ist beispielsweise einem Ortofon 2M Red oder 2M Blue mMn in allen klanglichen Bereichen überlegen. Es hat schon seine Richtigkeit, dass das System so beliebt und lange auf dem Markt ist. Ich bereue den Kauf jedenfalls nicht.
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