What a Beauty – Technics SH-MZ1200

Es ist März 2006. Die Cassini-Sonde findet flüssiges Wasser auf dem Saturn-Mond Enceladus, Twitter-Mitgründer Jack Dorsey verschickt den ersten Tweet auf Twitter, Fußball-Bundestrainer Klinsmann überlegt noch, ob bei der kurz bevorstehenden WM Kahn oder Lehmann im Tor stehen soll und Wladimir Klitschko bereitet sich auf seinen WM-Kampf gegen Chris Byrd vor. In dieser Zeit historischer Momente empfange ich ein neues technisches Spielzeug. Den Karton musste ich, auf drängen von zwei Kollegen, gleich noch am Arbeitsplatz öffnen. Die Neugierde war groß. Es ist ein Technics SH-MZ1200 DJ-Mixer den ich hastig, aber behutsam auspackte. Wir drei waren uns auch gleich einig, das Teil sieht richtig geil aus. Nur, kann es auch mehr als das?

Zu dieser Zeit lag die Markteinführung des SH-MZ1200 bereits 2 Jahre zurück. Also 2004, als ich meine ersten Gehversuche im DJing startete. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber es müssten so um die 600€-650€ für den Mischer verlangt worden sein. Was vor 17 Jahren bereits ein sehr fairer Preis für einen hochwertigen Vierkanäler war. Davon kann man heute schließlich nur noch träumen. Dieses Mischpult stellte Technics ersten und auch einzigen Versuch dar, mit einem DJ-Clubmischer den Platzhirschen Pioneer und Allen & Heath ein paar Marktanteile abzugraben. Große Beliebtheit erlangte die Firma Technics nicht nur durch ihre exzellenten Plattenspieler SL-1200/1210 MK2 im DJ-Sektor, sondern auch für die ikonischen Battle-Mixer SH-DJ1200, sowie den Variationen davon (DX,EX). Man besaß also schon etwas Erfahrung mit Mischpulten. Nicht zuletzt sollte der hervorragende Ruf Technics dazu beitragen, einen Erfolg nahezu zu garantieren. Nun zeichnete sich damals immer stärker der Trend hin zu digitalen Quellen ab und Technics versuchte sich von ihrer Cashcow (SL-1210) lösend, breiter aufzustellen. Der Vierkanäler sollte als Ergänzung zu den digitalen Playern SL-DZ1200 ein Komplettsetup aus eigenem Hause ermöglichen. Mit diesem Gespann nahm man insbesondere Hersteller wie Pioneer ins Visier. Denn gerade jener dominierte mit den CDJs schon damals den Markt der digitalen „Plattenspieler“. Der DJ-Mixer erschien in den Varianten Silber (S) und Schwarz (K).

Technics SL-DZ1200 und SH-MZ1200     ©rakuten.co.jp

Ums gleich mal zu spoilern: geklappt hats nicht. Weder die digitalen Laufwerke, noch der Mixer fanden übermäßigen Zuspruch. Jenes lag weder an der leckeren Optik, noch an der äußerst soliden Qualität der Produkte. Da hat Technics alles richtig gemacht. Das Problem, das viele Anwender sahen, waren eher die teils schwer nachzuvollziehenden Funktionen.

Mir erging es nicht anders. Nach meiner anfänglicher Begeisterung, kamen bei der Nutzung immer mehr Fragen auf. Letztendlich konnte mich damals das Gesamtpaket nicht überzeugen (ich suchte einfach was anderes) und der Mixer wurde retourniert. Dennoch ließ mich das Gerät all die Jahre nie los. Die Optik und der Sound hatten doch ordentlich Eindruck hinterlassen. Demnach hielt ich erneut Ausschau nach einem Exemplar und schlussendlich hatte ich nach vielen Jahren des „Snipens“ in den ebay-Anzeigen riesig Glück. Kürzlich wurde der wahrscheinlich letzte brandneue und originalverpackte Technics SH-MZ1200-K auf diesem Planeten zu einem absolut fairen Preis angeboten. Der Verkäufer aus Slowenien ließ noch etwas die Hosen runter und so konnte ich diesen von mir heiß begehrten Mixer erneut erwerben. Wie auch beim Mackie d.4 PRO geht hier eine langwierige Suche zu Ende. Auf den Mischer habe ich bestimmt 10 Jahre lang geduldig gewartet. Die Angebote während dieser Zeit waren entweder zu teuer, der Mixer in einem abgeranzten Zustand, oder gar beides. Man bekommt das Teil zwar noch halbwegs gut aus Japan angeboten, aber erstens ist der Versandweg unvernünftig und zweitens haben die Japaner eine 100V Netzspannung. Da bräuchte ich noch einen Transformator für den Betrieb. Nee! Mittlerweile ist der DJ-Mixer eingetroffen und komplettiert final meine Kollektion. Er hatte noch gefehlt und darüber freue ich mich.

Schauen wir uns doch mal das Gerät genauer an. Beginnen werde ich mit den Effekten, oder besser gesagt, dem Fehlen dieser. 2006 war man es dank DJM 600 von Pioneer gewohnt, eine Effekteinheit im Mixer integriert zu haben. Oder zumindest ein Filter, was ein wesentlicher Faktor bei Pulten von Allen&Heath ist. Technics entschied sich die Effekteinheit weg vom Mixer in die digitalen Player zu verlagern. Das sparte Kosten und Platz beim SH-MZ1200, bedeutete aber im Umkehrschluss, dass man ohne die dedizierten Laufwerke keine Effekte nutzen konnte. Fand ich nicht so prickelnd. Jene Herangehensweise hatten in der Vergangenheit aber auch schon andere Hersteller versucht. Immerhin spendierte man eine Send/Return-Schleife für externe Effektgeräte.

Als eine Art Ausgleich bekam der MZ1200 eine ungewöhnliche Routing-„Matrix“. Mit dieser Eingangssignalverteilung lassen sich einzelne Quellensignale auf mehrere Kanäle legen, wodurch die Lautstärke von links und rechts, sowie vorn und hinten mittels Channel-Fader separat angepasst werden kann.

En détail stellt sich das so dar:
Kanaleingang 1 oder 2 wird auf 1 und 2 gesplittet. Nun hat man links auf Kanal 1 und rechts auf Kanal 2. Diese zwei Kanäle gelten als Front. Kanal 3 oder 4 werden auf 3 und 4 aufgeteilt. Links liegt nun auf Kanal 3 und rechts belegt Kanal 4. Diese zwei Kanäle gelten als Rear mit eigenem Cinch-Ausgang.

Ganz ehrlich, ich habe lange überlegt, wofür man das im DJ-Gebrauch nutzen kann. Die ehemaligen Verkäufer wurden nicht müde, diese Funktion als ein besonderes Alleinstellungsmerkmal zu bewerben. Irgendwie konterkariert es aus meiner Sicht jedoch den eigentlichen Sinn eines DJ-Mixers. Der heißt ja nicht grundlos so. Mit dieser Routing-Geschichte separiert man wiederum die Ausgabe. Ja, ich kann eine Seite lauter als die andere mittels Channel-Fader aussteuern. Dafür hat der Mixer indes einen Balance-Regler. Und wann möchte ich bitte auf einer Party den Bereich vor mir mit Lied A beschallen und hinter mir mit Lied B? Was haben die Jungs sich denn dabei gedacht? Der einzige halbwegs nachvollziehbare Nutzen liegt wohl im Beat-Juggling von Turntablisten. Bei dieser handwerklichen DJ-Kunstform, in Verbindung mit dem Routing, lassen sich vermutlich interessante Panorama-Effekte kreieren. Selbst 19 Jahre nach der Markteinführung des Mixers, habe ich zudem rein gar nichts im Web gefunden, was sich mit dem Routing auseinandersetzt. Bis auf das, was bereits im Handbuch steht. Dieses „Feature“ hätte man sich meiner Meinung nach komplett sparen können. Schade um die Ressourcen. Da wären eins, zwei Filter deutlich attraktiver gewesen. Naja, immerhin lässt es sich abstellen.

Ausstattungsseitig ist der Mixer ansonsten solide aufgestellt. Er bietet eingangsseitig 3 der obligatorischen Anschlüsse für Plattenspieler und 2 für CD-Player, 4 Line-Ins, sowie 2 spezielle digitale Eingänge für die hauseigenen SL-DZ1200 Laufwerke. An Ausgängen stellt der MZ1200 XLR-Master-Out, 2fach Cinch-Master-Out, Monitor Out, Record Out und einen koaxialen Digital Out zur Verfügung. Sogar 2 Fader-Start-Buchsen sind vorhanden. Über diese lassen sich per Faderbewegungen die digitalen Player von Technics starten oder stoppen. Obendrauf gibt’s noch 2 Mikrofoneingänge und die bereits erwähnte Send/Return Effektschleife.

Auf der Vorderseite befinden sich zudem noch Switches für die Faderrichtung. Die lässt sich hier problemlos umkehren. Nutzt am Ende jedoch auch niemand. Hierbei frage ich mich auch, warum diese sog. „Hamster-Switches“? Zielte man mit dem SH-MZ1200 denn nun auf Turntablisten ab, oder nicht? Weshalb sind die Fader dann so relativ schwergängig? Das ergibt alles einen halbgaren Eindruck und wenig Sinn.

In diese Auffassung reiht sich leider auch die Vorhörfunktion ein. Aus dieser werde ich nicht so richtig schlau. Wenn man den Balance-Regler für den Kopfhörer, der zwischen Master- und Cuesignal hin und her blendet, mittig einstellt, ist zweiteres viel leiser. Trotz selbem Lautstärkepegel. Normalerweise sind in der genannten Mittenstellung beide Signale bei gleichem Pegel auch gleichlaut im Kopfhörer wahrnehmbar. So wie Technics es umgesetzt hat, ist es unheimlich schwer, das „stumme“ vorgehörte Lied in der Lautstärke zum aktuellen Lied, das Mastersignal das auch aus den Lautsprechern tönt, anzugleichen. Generell scheint das Cuesignal einfach permanent leiser zu sein, als das des Masters. Um die Sache dann noch weiter zu verkomplizieren, zeigt auch die Pegelanzeige die falsche Lautstärke an. Somit muss man zudem auf eine optischen Erkennung verzichten. Schade, zumal der Kopfhörerausgang an sich richtig gut tönt. Besser gesagt, der klingt schon verdammt gut! Als Workaround lassen sich jedoch beide Tracks auf das Cuesignal legen. Somit umgeht man den Vorhör-Regler und kann die Lautstärke korrekt angleichen. Ich passe die Lautstärke aller Tracks als Vorarbeit aber eh schon in der Traktor-Software an. Da stört es mich nicht so. Bei der Verwendung von Platte oder CD, sollte der DJ allerdings schon wissen, wie die Vorhörfunktion hier arbeitet.

Schauen wir uns nun mal den EQ an. Denn dieser war der Hauptgrund damals, warum ich den Mixer wieder zurückgeschickt hatte. Der EQ killt nämlich nicht den Frequenzbereich, sondern senkt ihn maximal um 24dB. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches und wurde bereits bei vielen Pulten vorher so gehandhabt. Ich empfand dies hingegen gewöhnungsbedürftig und kam eher mittelmäßig damit zurecht. Positiv ist zu dem 3-Band EQ anzumerken, dass er sehr musikalisch klingt. Jetzt bei der Zweitbetrachtung 17 Jahre später gefällt er mir richtig gut.

Generell klingt der Mixer wundervoll. Sehr detailliert und irgendwie dynamischer als meine anderen Mischer. Was ebenfalls im Vergleich mit Mackie und Allen&Heath auffällt, der MZ1200 drückt nicht so im Bassbereich. Er klingt mehr nach fidelem Hi-Fi würde ich meinen. Diese kleine Nuance mehr Neutralität gefällt mir gut, andere bevorzugen die Extraportion Druck – ist selbstverständlich Geschmackssache. Mir ist es manchmal zu viel.

Nun stellt sich sicherlich der geneigte Leser die berechtigte Frage, warum ich die ganzen Jahre so scharf auf ausgerechnet dieses Model bin. Funktionen die keiner braucht, unausgereiftes Konzept, keine Effekteinheit,… Das kann ich leicht beantworten: Ich liebe dieses Design. Für einen DJ-Mixer-Geek und Technics-„Fan“ wie mich ist der SH-MZ1200 ein unglaublich schönes Gerät. Ja, er besitzt so seine Eigenheiten, aber Erscheinungsbild, Klang und die Verarbeitung sind über jeden Zweifel erhaben. Für das, was ich mit dem Mixer vorhabe, reichen seine Funktionen vollkommen aus. Selbst wenn der Technics 4-Kanaler nur einen bescheidenen Erfolg verbuchen konnte, es nie einen MK 2 gab, so besitzt er doch einen gewissen Seltenheitswert und hat seine Nische in der Geschichte.

Zum Schluss drängt sich bei mir noch die Frage auf, dass, wenn der Verbund aus digitalen Playern und dem Mixer erfolgreicher gewesen wäre, es dann auch die passende schwarze Variante der Laufwerke gegeben hätte? Immerhin gab es ja auch zwei unterschiedliche Farbgebungen beim Mixer, ebenso wie bei den beliebten Plattenspielern.

Als ich vor Jahren nach Tape-Decks Ausschau hielt, stolperte ich über ein Technics 631. Das gefiel mir auch gleich so gut und erinnerte mich stark an den DJ-Mixer, dass ich es einfach haben musste.

attix Verfasst von:

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